25. Mai 2016

C'est la vie - von Knurrbär

C'est la vie - von Knurrbär



Vier Personen sitzen in einem sich vorwärts bewegendem elektrifzierten hochmodernen Eisenbahnzug von Bern nach Lausanne mit einem Zwischenhalt in Fribourg. Er fährt pünktlich ab. Wie immer fährt er sehr pünktlich ab. Da alle vier Personen sich auf dieser Fahrt weder mit andern Zugsreisenden unterhalten noch auschliesslich vor noch sich hindösen, sind es eher stille Monologe die sich mehr oder weniger diszipliniert manifestieren. Mindestens bei diesen 4 Personen, die wir an dieser Stelle kurz kennenlernen werden.

Und warum es genau diese vier Personen sind, die für uns hier nur ganz kurz ein Stück in Erscheinung treten werden, weiss weder der Autor noch ein Kalkül, Schicksal oder ..... es rüttelt der Zug. Vielleicht eine Baustelle oder ..... es rumpelt halt immer mal, hier oder da. Rumpeln kann es immer wieder.



Rolf

Ich muss es ihr sagen. Wenn nicht ich ... wer dann ? Es ist nicht so, dass ich mich dafür zu schade oder zu wertvoll oder was auch immer fühlen würde. Nein. Es ist einfach so, dass ... Jetzt kommt der wieder, um die Tickets zu sehen welche jetzt SwissPass heissen. Freude hat keiner dran und niemand will wirklich auf Schritt und Tritt überwacht und ausgewertet werden. Reicht ja schon, wenn das der Staatdienst tun muss.

Es ist nicht so einfach, weil es nicht nur ein WAS oder WARUM gibt sondern auch das WIE. Wie viele Male bin ich diese Strecke denn nun schon gefahren? Jedesmal ein wenig gleich und trotzdem immer ein wenig anders. Die gegenüber, die nebendran und dann die unterschiedlichen Düfte und Gerüche. Oder die Stimmen. Es gibt solche, die kann ich nicht hören, denen kann ich nicht zuhören und dann wird das weghören wollen so schwierig. Wohin soll ich weghören?

Weghören ist vielleicht auch ein wenig unanständig. Will ich unanständig sein, etwas das ich eigentlich nie so richtig gelernt habe oder habe lernen dürfen? Soll auch eine Kunst sein, die viele im Altern immer besser beherrschen lernen. Wann kommt der mit dem Kaffeewägeli endlich. Schon bald Fribourg und ich muss raus und immer noch kein Kaffee.  Und es ihr gesagt hat auch diesmal wieder keiner.

Es rüttelt der Zug.



Edith

Früher sass ich lieber in Fahrtrichtung und hab mich gern mit andern Menschen unterhalten. Heute sitze ich lieber so da, dass sich alles von mir und meinem gegenwärtigen Standort entfernt. Mal schneller und mal gemütlicher. Es gibt Dinge, die will ich nicht mehr, jedenfalls nicht unter einer gewissen Geschwindigkeit. Mal so lustvoll leise vor sich zu denken und manchmal ein bisschen gemütlich vor mich hin dösen. Nicht die Geschwindigkeit der Gedanken ist es, was mich bewegt, sondern wie sie sich - ungeteilt mit andern Personen – entwickeln und verändern und andere Formen und Dimensionen annehmen. Nein - Angst habe ich nicht davor. Aber muss auch lernen, damit umzugehen und meine Gednken und ich sollten gute Freunde werden.

Was wünsche ich mir für die Welt, die ich früher oder später verlassen werde? Was wünsche ich mir für die, die hoffentlich länger da bleiben werden als ich das noch tun kann. Für all diejenigen, die ich so gerne mag und die mir auch hier und jetzt so wichtig sind.

Was und wie viel müssen wir teilen und mit wem ? Wie lange können wir das noch tun bis ein anderer mit uns teilen sollte, weil dann auch bei uns vieles fehlt oder weg ist. Das geht so schnell, so unheimlich schnell. Die die nehmen wollen sind und werden so viel mehr als die, die geben könn(t)en und soll(t)en.

Wie viel Rente muss ich mir nehmen lassen, um Schmerz und Leid für etwas zu empfinden, für das ich gar nichts kann. Diese "Auch-DU-bist-an-allem-Schuld-daran-Kultur" kann ich kaum mehr ertragen. Ich wurde hier geboren, habe mich stets bemüht gut, aufrichtig und redlich zu sein. Habe mir wenig zu Schulden kommen lassen und jetzt ? Soll Schuld an all dem tragen....

Es rüttelt der Zug.



Piter

Ich hasse sie. Wirklich. Ich hasse sie. Sie sagen mir, dass ICH das mir wünsche und dass ICH es sei, der das möchte. Nein, nein, nein. Und ich meine nicht die Bachelor-Tussen und Tussboys. Die kann ich bei ein paar hundert Sendern ja locker ignorieren und rausfiltern und muss dann nur noch ab und zu bei 20Min am Morgen früh das eine oder andere Bildli mit Grosstext verziert anschauen. Gut draufgeschaut ist oft auch schnell weggeschaut. Hinguckerchen, die so rasch vergessen wie gesehen sind. Was sind Sekunden in einem gesunden Leben schon ? Ich hasse sie. Sie kommen immer mehr und sind schon fast überall. Also überall dort, wo ich sie mir nicht wünsche. Es gibt doch Leute, die auch ohne "Grundeinkommen-Initiative" arbeiten und etwas verdienen möchten, weil ihnen Arbeit auch etwas zurück gibt. Respekt, Dankbarkeit, Anerkennung, Wertigkeitsgefühl.

Und jetzt kommen sie, die Nespressos, Coops und Migros oder SBB und SWISS und CO. und wollen und mit einem Teil von „geeigneten“ Massnahmen KonsumentInnen dazu zwingen, SELFSCANNING zu machen. Was für ein erniedrigendes Wort. Was für eine erniedrigende Geste: ICH übernehme EURE Arbeit, erhalte NICHTS dafür und werde überwacht wie ein verdächtiger Hund (damit mir und den andern Sefscanners kein "Fehler" passiert"). Ich werde euch schon bald auch die Gestelle einräumen dürfen ... aber dann alle Achtung, kreative Menschen finden auch kreative Lösu....

Es rüttelt im Zug.

Nachtrag: Ich mag es und unterstütze es, wenn Menschen auch solche WERTVOLLE Arbeit leisten dürfen und nach wie vor leisten werden könnnen. Ich hoffe, dass viele viele viele Menschen Selfscanning langfristig und nachhaltig ablehnen werden !




Paula:

Die Wiesen werden grüner. Ich liebe es, aus dem Fenster zu schauen. Die Wiesen werden grüner. Und wie viele Kühe es hat. Hoffe, dass es glückliche Kühe sind. VeganerInnen lieben glückliche Kühe. Cowboys offenbar nicht. Warum weine ich nicht ? Oder noch nicht ? Mein Cowboy hat sich entschieden: Alles andere ist Beilage. War wohl eine angenehme Beilage. Aber ich suche mir eine schönere Rolle und die Tränen und der Schmerz werden wohl noch kommen. Wo ist es so, dass Cowboys nicht weinen durften oder waren das die Indianer. Der Wägeli-Mann ruft: Sandwich ... Käse ... Salami

Es rüttelt der Zug.



Der Lokomotivführer stellt fest, dass er die sich in Sanierung befindliche Weiche offenbar mit 83.53 Stundenkilometer passiert haben dürfte und nicht wie vorgeschrieben mit 78.4. Sorry Chef, schief gelaufen ... aber: C'est la vie !



Die passende Musik dazu:




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