20. Oktober 2013

Düfte / von Zebramanguste



Der Sommer duftet am schönsten!

Sie haben sich seit der Schule nicht mehr gesehen, treffen nach fast zehn Jahren zufällig in der Kleinstadt aufeinander…
„Hast du dieses Sonnenuntergangsfarbenfeuerwerk gesehen, diese Farben, Wahnsinn?“ fragt er und schaut noch immer verträumt dorthin, wo die Sonne vor kurzer Zeit zwischen zwei Hügeln in der Ferne das Himmelszelt verlassen hat. „Ja, es war spektakulär und wunderbar anzusehen, aber am Sommer liebe ich eher die guten Düfte, die sich je nach Temperatur stark verändern können und mal extrem intensiv, dann eher lau und flach wahrnehmbar sind“ entgegnet sie. „Den Duft der heute Alles erfüllte, der mir wohlig wehenden Schleiern gleich um die Nase wehte – schwer und süss, zugleich leicht schwebend und sinnlich – möchte ich einfangen können und in kleine, durchsichtige Glasröhrchen abfüllen können. Gerne würde ich dieses unsichtbare Wunder luftdicht in klaren Gefässen festhalten und mir dann vorstellen, wie der Duft darauf wartet - an kalten, tristen Wintertagen - von mir befreit zu werden und… - der sommerliche, leicht nach honigriechende Lindenblütenduft die raue, eisige Winterwirklichkeit vergessen macht!“

Er lächelt leicht und meint verträumt „eine schöne Vorstellung und ich möchte im Winter, wenn’s unangenehm kalt ist, dass mir der würzige, nach vielen unterschiedlichen Kräutern riechende, sommerliche Heuduft die Naseninnenwände sanft und neckisch kitzelt.“  - „Auch im Frühsommer gibt es einen Duft, der mich aufwühlt, auf den ich mich jedes Jahr auf’s Neue freue. Er stammt ebenfalls von Baumblüten. Auch die Bienen wissen, was gut ist und produzieren allein aus den süssriechenden, kleinen, weissen Akazienblüten herrlichen Honig“ erklärt sie mit grossen, erfreut glänzenden Augen und sich leicht kräuselnder Nase. – „Ja, dieser Honig schmeckt wirklich gut… fast so gut wie Lavendelhonig, den ich sehr mag“, klärt er auf, „aber noch lieber rieche ich die Lavendelblüten, am liebsten die ganzen Felder in der Provence, wo sich tausende von Blüten im auffrischenden Mistral  wiegen.“ Sie schaut ihm mit neugierigem Blick direkt in die Augen „ich habe gar nicht gewusst, dass du so romantisch bist, dass du deine Umwelt so bewusst und interessiert wahrnimmst, dass du von all den wunderbaren Dingen, die uns umgeben so viel aufnimmst und für dich auch wertest. Ganz ehrlich, ich habe dich eher oberflächlich in Erinnerung – einfach ein Typ, wie jeder andere auch, nein, wie fast Alle.“ – „So kann man sich täuschen, mir ging es nämlich mit dir genau gleich; nie hätte ich gedacht, dass du Lindenblütenduft in so träumerisch schöne Worte packen kannst und dabei mit glänzende Augen in eine Welt blickst, die du genau zu kennen scheinst.“ – Sie: „Was kommt dir in den Sinn, wenn ich das Wort „Organgenblütenduft“ sage?“ – Er: „Oh, eine ganze Menge… er kitzelt meine Nase angenehm, wenn ich abends einen Tee trinke, damit ich gut schlafen kann. Nicht nur zum Trinken schmeckt er einfach hervorragend, er riecht, auch äussert angenehm…, kurz ich liebe den Tee und giesse ihn am liebsten mit getrockneten Blütenblättern aus der Drogerie auf.“ – Sie: „Ich habe richtig Lust auf einen Orangenblütentee, was meinst du, gehen wir in der Gartenwirtschaft da vorn eine Tasse zusammen trinken?“ – Er: „Ich wohne nicht weit von hier und würde dich gerne einladen, einen von mir zubereiteten Orangenblütentee mit mir zu trinken. Morgen könnten wir uns dann bei dir bei einem Akazienhonigbrot Gedanken machen, wie wir den Lindenblütenduft in die die durchsichtigen Gefässe bringen, damit du auch im kalten Winter nicht auf deinen Lieblingsduft verzichten musst.“

Sie: „Au ja, und übermorgen gehen wir vor die Stadt und lassen uns den sommerlichen Duft des frisch gemähten Heus um die Nase wehen.“ 

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er Sommer duftet am schönsten!




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