8. Oktober 2015

Die Reise - von Zebramanguste

Die Reise - von Zebramanguste


Es sei, je nach Situation, entspannend, lehrreich, interessant, toll, intensiv, erlebnisreich und ab und zu auch anstrengend und mühsam... das Reisen, hört und liest man. Entscheidet selbst zu welcher Kategorie diese Reise zählt!

2 Kollegen, Kurt und Urs, planten eine Tagesreise. Seit längerer Zeit machten sie jedes Jahr einmal eine Tagesreise und bisher stand jeweils das Wandern im Vordergrund.
Diesmal sollten möglichst viele, verschiedene Transportmittel die Reise abwechslungsreich machen:
Anfahrt mit Bahn ab jeweiligem Wohnort nach Meiringen, dort um 08.52 Uhr Abfahrt mit dem Postauto bis Susten Steingarten; Postautowechsel und Fahrt nach Göschenen. Bahnfahrt nach Flüelen und Schifffahrt nach Luzern, inkl. Mittagessen. Rückfahrt mit der Bahn von Luzern nach Bern.
Die Fahrt mit dem Postauto war sehr beeindruckend. Herrliches, spätsommerliches Wetter mit dem stahlblausten Himmel den man sich nur vorstellen kann. Haltestelle Steingarten; Pause und warten auf das andere Postauto. Sie beschlossen sich zu stärken, einen Kaffee zu trinken und einen Nussgipfel zu essen. Urs erzählte von einem Vorfall, von einem Unfall, der sich vor vielen Jahren ganz in der Nähe, etwas oberhalb des Restaurant ereignete: Der Grossteil eines Munitionslager war damals in die Luft geflogen und die Explosion hatte einen Riesenkrater in den Boden gerissen, den man noch heute gut sehen könne… nur wenige hundert Meter vom Restaurant entfernt.
Sie beschlossen die Planung leicht anzupassen, eine Postautoverbindung zu überspringen, um zu sehen was unterhalb der Gletscherzunge von diesem Unglück noch zu sehen war.
Kurz darauf liefen die Beiden am Steinseelein vorbei, welches mit milchig grün-grauen Farbe
andeutet, wie eiskalt das Wasser war…


… plötzlich verschwindet die Sonne hinter einem grossen, langgezogenen und düsteren Wolkenband.
Fast augenblicklich wird es massiv dunkler, bedrohlich und vor allem viel kälter… Weltuntergangs-stimmung.
Die Farbe des kleinen Sees verändert sich von Minute zu Minute dramatisch: grosse, schaumgekrönte Wellen schlagen wütend und grollend gegen das flache Ufer und überschwemmen das umliegende Geröllfeld.
Auch die gletscherblaue Gletscherzunge verdunkelt sich, nimmt die düstere Farbe des Himmels an beginnt plötzlich zu wachsen. Sie verschlingt in der Bewegung Alles was vor ihr liegt und bewegt sich dabei zischend und keuchend den Berg herunter.
Kurt und Urs verstecken sich, so gut es geht, hinter einem grossen, grauen Felsbrocken. Dieses Steinmonstrum entpuppt sich aber als grosses, sich träge erhebendes Mammut, welches die Beiden interessiert anstarrt und sich offenbar nicht entscheiden kann, ob es angreifen oder davon trotten soll.
Jetzt ergreifen sie definitiv die Flucht… torkeln im Laufschritt über die Geröllhalde, über die lockeren Steine, die unter ihren Füssen zu Rolling Stones, zu rollenden Steinen werden. Die Bewegung des Untergrundes lässt sie fast gleichzeitig taumeln und schliesslich hinfallen. Ohne etwas dagegen tun zu können, werden sie, wie auf einem Rollteppich, in Richtung Abgrund befördert, der sich bereits gut sichtbar vor ihnen auftut. Keine Chance sich aufzurichten sich in Sicherheit zu bringen.
Plötzlich abgrundtiefes Fauchen in der Nähe: ein prähistorischer Säbelzahntiger schleicht sich  geduckt hinter eine kleine Felsformation, wo er gemein blickend auf die Szene schaut, die sich jetzt eröffnet:
Grosser Lärm, riesige Rüsseltiere, eine Mischung aus Elefanten und Mammuts, mit riesigen Körben auf dem Rücken, tauchen hinter der Felsformation auf. „Hannibal, der auf Elefanten die Alpen überquert“, kommt es bei Kurt und Urs fast gleichzeitig über die ausgetrockneten Lippen.
Immer schneller geht es auf dem sich bewegenden „Rollband in Richtung Abgrund.
Plötzlich schiessen heisse, über hundert Meter hohe Flammenschwerte aus dem Boden und drohen Kurt und Urs zu versengen.
Weniger als 50 Meter trennen die Beiden vom unvermeidbaren Sturz in den Abgrund. Ein flammender Blitz, begleitet von lautstark grollendem Donner, zuckt als der freie Fall von Kurt und Urs einsetzt…
Kurt und Urs rieben sich kopfschüttelnd die Augen, schauten sich fragend in der Gaststube um und konnten nicht begreifen, was mit ihnen passiert war.
Wortlos tranken sie ihren Kaffee fertig, tupften mit feucht gemachten Fingern die Blätterteigreste der Nussgipfel von ihren Tellern auf, bezahlten und gingen schweigend hinaus. Keiner sprach ein Wort.
Schon nach wenigen Minuten näherte sich das Postauto vom Urnerland kommend und wendete auf dem grossen Platz vor dem Haus.
Sie bestiegen das Postauto und genossen den Rest der Reise, indem sie sich immer wieder staunend über neue Naturwunder freuten, die wie auf einer riesengrossen Leinwand an ihnen vorbeizogen wurden.
Gegen Ende des Tages beschlossen sie über ihre Reise zum Seelein mit Niemandem zu sprechen, beschlossen diese Geschichte für sich zu behalten.
Aber beide waren sich einig, dass sie genau diese Reise nächstes Jahr noch einmal machen werden... und am Steingletscher entscheiden würden, ob sie direkt ins nächste Postauto umsteigen  oder...


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