30. Juni 2014

Und dann ? von Knurrbär



Er trat ein. Wie immer verspätet. Nur ein ganz klein wenig zwar. Aber! - er war der einzige, der sich das leisten konnte, der sich das ganz bewusst leisten wollte, immer wieder und immer wieder.

Als Chefredaktor war er der Chef und das zeigte er allen. Wirklich allen. Und ... er duldete für sich das, was für andere ein absolutes "no-go" war. Und jedes Mal triumphierte er ein wenig. Es war dieses auf seinen Lippen nur ganz leicht angehauchte Lächeln, das meist nur ganz wenige Sekunden dauerte und dann so verschwand wie es gekommen war. Rasch und fast unbemerkt. Und es war die Art, wie er "Guten Morgen miteinander" oder "Guten Nachmittag miteinander" sagte - auch wenn es bereits Abend, sogar später oder gar sehr später Abend war. "Nachmittage" dauerten oft bis tief in den Abend hinein, auch das wusste jeder.

Nach ein paar Sekunden Schweigen und leicht angespannter Ruhe eröffnete Galliker das Meeting.

"Ihr wisst" - kleine Pause - "Printmedien geht's mies". "Die Zentrale ist beunruhigt über die Verkaufsergebnisse und auch im Online-Bereich hinken wir aktuell den andern hinten nach". Dass mit "die andern" die Konkurrenz, welche im gleichen Teich schwamm gemeint war, das war allen klar. Ebenso wie die Tatsache, dass 2 Zeitungen aus demselben Mutterhaus kaum dauerhauft in der gleichen Region überleben werden können, auch wenn das eine oder andere schon längst konsolidiert, vereinheitlicht und zwangsgespart war.

"Wir müssen da was tun" - "jetzt und rasch, sehr rasch". "Vor allem im Online-Bereich müssen wir die Nase vorne haben, dort fliessen die Werbegelder. Jeder hat heute sein Smart-Phone und jeder klickt da rum, täglich, stündlich und überall - das kennt ihr ja selber; nicht wahr Haberthür ?". Haberthür nahm die Hand unter der Tischplatte hervor und leicht rote Backen konnte man bei ihm erkennen. Die Sache war damit erledigt und er fuhr mit leichtem Triumph fort. "Und ich sag euch, je länger wir einen auf unserer Newsseite hinhalten können, desto mehr Werbebanner schalten wir und - desto mehr Kohle. Einfach und simpel ist das - oder ?"

Und dann begann er runterzuleiern, dass er da eine geniale Idee gehabt habe, die nur einer wie er haben könne. Er erklärte, dass die LeserInnen grundsätzlich simpel funktionierende Wesen seien, die, nebst Kurzinhalte lesen am liebsten auch etwas selber tun wollen. Das sei so mit diesen heutigen Smartphone-Junkies. Blättern, scrollen, antippen, Fingerspreizen, von rechts nach links streichen. Und genau das sei es!, wo diese einfachen Gemüter anzuholen seien.

Es folgte eine kleine Pause, die den einzigen Grund haben sollte, Spannung und Erwartungshaltung zu erzeugen. Sie alle kannten das und taten deshalb genau das, was er von ihnen erwartete. Schweigen und Warten.

"Schaut Leutchen ...", so nannte er seine Mitarbeiter, wenn wieder mal deutlich werden musste, wer hier das Sagen hat. "Schaut Leutchen, wir werden unsere Online-Umfragen verbessern und den Bedürfnissen unserer Leser anpassen". "Wir werden ganz banale Fragen zum Alltag stellen, Fragen, zu denen ALLE eine Meinung haben werden, haben müssen!"

"Beispiele gefällig?" "Wie wär's mit ...

... Gehen Sie heute baden ? und je nach Antwort schalten wir dann Werbung für Glacé, Sonnencrème oder TV-Programm

... Mögen Sie Bier ? Trinken Sie mehr al 5 Kaffee pro Tag ?

… Wie oft gehen Sie zum Coiffeur ? Mögen Sie lieber Hunde oder Katzen ?
… Welches ist Ihre Lieblingsfarbe für Sportautos ? und für Gummi-Boote ?

Einfache Fragen für einfache Leute ... von einfachen Leuten. Und dazu brauch ich euch!

Und zu jeder Frage finden wir die richtigen kleinen verlockenden blinkenden Banner für die dazugehörige Werbung.

Er strich sich mit der linken Hand über seinen sich leicht hervor wölbenden Bauch, welchen auch die schräg fast vertikal gestreifte Krawatte nicht zu verdecken vermochte und schaute dann verheissungsvoll zu Luc, dem neuen Praktikanten. Frisch von der Uni und voller Ideen sowie gierig, den Journalismus in Echtzeit zu erfahren.

Luc ! und nach einer kurzen Pause: Luc, DU kriegst diesen Auftrag. Organisiere ein Brainstorming und mach was draus; pack Deine Chance, so dass auch aus Dir mal was Richtiges wird. Er rieb sich dabei genussvoll beide Hände so wie er es immer tat, wenn er sich selber und niemanden sonst im Fokus hatte.

Luc räusperte sich und murmelte: Danke Chef - packen wir an Chef ! und es kreiste eine einzige Frage durch seinen Kopf: und dann ? Werd ich dann auch so eine Krawatte vor meinem Bauch baumeln lassen ?
Aus seinem Innern erklang "Du loufsch..." und er begann, sich eine - seine Meinung zu bilden und erhob kurz die Hand - wie ein ganz kurzes Winken - und begann zu sprechen .....

"DU LOUFSCH..." BUBI EIFACH feat. GREIS   https://www.youtube.com/watch?v=ywif_jX3gA8

Weitere Infos zu den Geschichten /Index - Geschichtenverzeichnis - zu den AutorInnen:http://m3wg.blogspot.ch/2012/12/idee-konzept.html