Er trat ein. Wie
immer verspätet. Nur ein ganz klein wenig zwar. Aber! - er war der einzige, der
sich das leisten konnte, der sich das ganz bewusst leisten wollte, immer wieder
und immer wieder.
Als Chefredaktor war
er der Chef und das zeigte er allen. Wirklich allen. Und ... er duldete für
sich das, was für andere ein absolutes "no-go" war. Und jedes Mal
triumphierte er ein wenig. Es war dieses auf seinen Lippen nur ganz leicht
angehauchte Lächeln, das meist nur ganz wenige Sekunden dauerte und dann so verschwand
wie es gekommen war. Rasch und fast unbemerkt. Und es war die Art, wie er
"Guten Morgen miteinander" oder "Guten Nachmittag
miteinander" sagte - auch wenn es bereits Abend, sogar später oder gar
sehr später Abend war. "Nachmittage" dauerten oft bis tief in den
Abend hinein, auch das wusste jeder.
Nach ein paar
Sekunden Schweigen und leicht angespannter Ruhe eröffnete Galliker das Meeting.
"Ihr wisst"
- kleine Pause - "Printmedien geht's mies". "Die Zentrale ist
beunruhigt über die Verkaufsergebnisse und auch im Online-Bereich hinken wir
aktuell den andern hinten nach". Dass mit "die andern" die
Konkurrenz, welche im gleichen Teich schwamm gemeint war, das war allen klar.
Ebenso wie die Tatsache, dass 2 Zeitungen aus demselben Mutterhaus kaum dauerhauft
in der gleichen Region überleben werden können, auch wenn das eine oder andere
schon längst konsolidiert, vereinheitlicht und zwangsgespart war.
"Wir müssen da
was tun" - "jetzt und rasch, sehr rasch". "Vor allem im
Online-Bereich müssen wir die Nase vorne haben, dort fliessen die Werbegelder.
Jeder hat heute sein Smart-Phone und jeder klickt da rum, täglich, stündlich
und überall - das kennt ihr ja selber; nicht wahr Haberthür ?". Haberthür
nahm die Hand unter der Tischplatte hervor und leicht rote Backen konnte man
bei ihm erkennen. Die Sache war damit erledigt und er fuhr mit leichtem Triumph
fort. "Und ich sag euch, je länger wir einen auf unserer Newsseite
hinhalten können, desto mehr Werbebanner schalten wir und - desto mehr Kohle.
Einfach und simpel ist das - oder ?"
Und dann begann er
runterzuleiern, dass er da eine geniale Idee gehabt habe, die nur einer wie er
haben könne. Er erklärte, dass die LeserInnen grundsätzlich simpel
funktionierende Wesen seien, die, nebst Kurzinhalte lesen am liebsten auch
etwas selber tun wollen. Das sei so mit diesen heutigen Smartphone-Junkies.
Blättern, scrollen, antippen, Fingerspreizen, von rechts nach links streichen.
Und genau das sei es!, wo diese einfachen Gemüter anzuholen seien.
Es folgte eine kleine
Pause, die den einzigen Grund haben sollte, Spannung und Erwartungshaltung zu
erzeugen. Sie alle kannten das und taten deshalb genau das, was er von ihnen
erwartete. Schweigen und Warten.
"Schaut Leutchen
...", so nannte er seine Mitarbeiter, wenn wieder mal deutlich werden
musste, wer hier das Sagen hat. "Schaut Leutchen, wir werden unsere
Online-Umfragen verbessern und den Bedürfnissen unserer Leser anpassen".
"Wir werden ganz banale Fragen zum Alltag stellen, Fragen, zu denen ALLE
eine Meinung haben werden, haben müssen!"
"Beispiele
gefällig?" "Wie wär's mit ...
... Gehen Sie heute
baden ? und je nach Antwort schalten wir dann Werbung für Glacé, Sonnencrème
oder TV-Programm
... Mögen Sie Bier ?
Trinken Sie mehr al 5 Kaffee pro Tag ?
… Wie oft gehen Sie
zum Coiffeur ? Mögen Sie lieber Hunde oder Katzen ?
… Welches ist Ihre Lieblingsfarbe für Sportautos ? und für Gummi-Boote ?
… Welches ist Ihre Lieblingsfarbe für Sportautos ? und für Gummi-Boote ?
Einfache Fragen für
einfache Leute ... von einfachen Leuten. Und dazu brauch ich euch!
Und zu jeder Frage
finden wir die richtigen kleinen verlockenden blinkenden Banner für die
dazugehörige Werbung.
Er strich sich mit
der linken Hand über seinen sich leicht hervor wölbenden Bauch, welchen auch
die schräg fast vertikal gestreifte Krawatte nicht zu verdecken vermochte und
schaute dann verheissungsvoll zu Luc, dem neuen Praktikanten. Frisch von der
Uni und voller Ideen sowie gierig, den Journalismus in Echtzeit zu erfahren.
Luc ! und nach einer
kurzen Pause: Luc, DU kriegst diesen Auftrag. Organisiere ein Brainstorming und
mach was draus; pack Deine Chance, so dass auch aus Dir mal was Richtiges
wird. Er rieb sich dabei genussvoll beide Hände so wie er es immer tat, wenn er
sich selber und niemanden sonst im Fokus hatte.
Luc räusperte sich
und murmelte: Danke Chef - packen wir an Chef ! und es kreiste eine einzige
Frage durch seinen Kopf: und dann ? Werd ich dann auch so eine Krawatte vor
meinem Bauch baumeln lassen ?
Aus seinem Innern erklang "Du loufsch..." und er begann, sich eine - seine Meinung zu bilden und erhob kurz die Hand - wie ein ganz kurzes Winken - und begann zu sprechen .....
Aus seinem Innern erklang "Du loufsch..." und er begann, sich eine - seine Meinung zu bilden und erhob kurz die Hand - wie ein ganz kurzes Winken - und begann zu sprechen .....
Weitere Infos zu den Geschichten /Index - Geschichtenverzeichnis - zu den AutorInnen:http://m3wg.blogspot.ch/2012/12/idee-konzept.html