Schon als kleiner Junge hatte er diese eine Türe im Haus ganz oben im 2.Stock nie öffnen dürfen. Vieles war erlaubt gewesen, manches war erwünscht gewesen. Aber diese eine Türe mit ihren zwei kleinen Milchglasscheibchen und dem geblumten Vorhang davor war eine Grenze, die niemals hatte überschritten werden dürfen. Eine Begründung gab es keine. Es war halt einfach so und basta. Gewagt hätte er es eh nicht. Das wäre ein Verstoss gegen etwas riesen grosses ohne Namen gewesen.
So vergingen seine Kindheit, seine Jugend, die Phase der Pubertät und sein Heranreifen zum jungen Mann ohne dass die Türe auch je wieder einmal ein Hauch von einem Thema hätte sein sollen.
Er kehrte oft zurück in jenes Haus, jetzt auch mit seiner Frau und dem niedlichen dreijährigen Jungen. Eigentlich fühlte er sich ganz wohl in diesem Haus, im Erdgeschoss und ersten Stockwerk jedenfalls. Es gab viele Erinnerungen an seine Kinder– und Jugendzeit. Vieles hatte sich auch gar nicht gross verändert in all diesen Jahren. Sogar einige Düfte waren ihm immer noch vertraut und mit vielen grösstenteils schönen Erinnerungen verbunden.
Aber dann kam der Tag, an dem er seinen Eltern versprochen hatte, die Katze für 3 Tage zu füttern, weil sie sich ein paar Tage Wellness für Leib und Seele gönnen wollten.
Es war später Nachmittag und ging wohl eher schon gegen Abend zu als er die Haustüre öffnete, nachdem er den Briefkasten geleert hatte.
Auf sein Zurufen kam ihm der 15 jährige Kater nicht sofort entgegengerannt, wie das sonst üblich war. Nichts bewegte sich und kein Laut war zu hören, ausgenommen die leisen Geräusche von der Strasse.
Er wusste, dass der Kater bei Abwesenheit seiner Eltern nicht nach draussen durfte und konnte. Also blieb ihm nichts anderes übrig als zuerst die Zimmer im Erdgeschoss und dann diejenigen im ersten Stock zu erkunden. Der Kater kam nicht zum Vorschein und schien auch nicht gewillt zu sein, auf seine schnalzenden Geräusche und das leise bekannte Händeklatschen zu reagieren. Tim war wie vom Erdboden verschluckt. Aber es blieb ja noch der zweite Stock mit den zwei Zimmern, respektive den zwei Türen.
Die ihm bekannte erste Türe öffnete sich wie immer. Nicht abgeschlossen wie immer. Eine riesengrosse Unordnung wie immer - aber eben kein Kater weit und breit.
Seine Hand zitterte, als er den Türgriff der zweiten Türe in der Hand hielt. Zum ersten mal in seinem ganzen Leben. Sollte er wirklich öffnen. Der Kater konnte doch unmöglich dahinter versteckt sein, wie sollte er denn bloss die Tür geöffnet und wieder verschlossen haben.
Sie liess sich gut öffnen, leistete keinen Widerstand. Zudem war kein Geräusch und kein Knarren zu vernehmen.
Er sah einen Raum, der grösser war als der grösste Raum den er je gesehen hatte. Grösser als die Höhlen in Spanien und grösser als der Dom in Mailand. Dunkel war’s in diesem Raum. Dennoch wagte er einen ersten Schritt in Richtung dieses Unfassbaren. Plötzlich erhellte eine kleine Lampe ein Pult, welches zirka 20 bis 30 Meter von ihm weg war. Er ging diesen Weg und war getrieben von Neugier, gepaart von einer unbeschreiblichen Angst. Auf dem Pult fand er einen Zettel auf welchem stand: Willkommen im Land von „Gesichtsbuch 7.0“. Du kannst deinen weiteren Weg wählen:
-1- du bist der Typ Angsthase, willst Mitglied sein und behauptest, dass du das nur machst, weil deine Kids ja auch drin sind. Dabei bist du einfach nur ein Voyeur, einer der schauen will, was andere tun ohne auch nur das kleinste von sich selber preiszugeben
-2- du bist der Typ Pionier, bist Mitglied und teilst Dinge mit Menschen, die sie gar nicht interessieren und die sie gar nie wissen wollen. Weder jetzt noch in Zukunft. Nur die Organisation freut sich über deine Bereitschaft alles preiszugeben, was dein unbedeutendes Leben überhaupt preisgeben kann. Aber viel mal unbedeutend wird auch mal grösser und ist auf dem Weg, einen gewissen Sinn zu ergeben.
! WÄHLE JETZT !
Er konnte den Duft von frischem Filzstift noch riechen.
Ohne genau zu wissen was geschah und was die Konsequenzen seiner Entscheiung sein könnten wurde er getrieben vom Drang zu handeln. Er handete und wählte -1-. Ein zartes blaues Licht erleuchtete mit zunehmender Intensität den gesamten Raum. Ganz weit hinten auf einem Berg sah er einen Mann der zuckerte, mit breitem Grinsen in spitzbübischem Gesicht und einem 600 Dollar teuren T-Shirt, das so aussehen sollte, als hätte er es seit seiner Zeit als Stundent nicht mehr gewaschen.
Dann sah er die Katze, welche mit erhobenem Schwanz in der Linie der Pioniere ganz hinten in der Reihe stand und ihm zuzuzwinkern schien. Danach sah er nichts mehr, sondern er roch diesen Veilchen-Heu-Zitronen Duft der ihn an seinen letzten Urlaub erinnerte und wusste, dass ein langer Weg vor ihm lag und dass das erst der Anfang von etwas war. Von etwas, das durch ein Nichtöffnen dieser einen Türe hätte verhindert werden können. In seinem Innenohr vernahm er von Ferne eine ihm bekannte Melodie aus vergangenen Zeiten. Er fragte sich noch, ob er Katzen überhaupt mochte.
Melodie: https://www.youtube.com/watch?v=LanCLS_hIo4
Foto-Serie: WinDoors - Fenster - Türen - Tore hier
siehe auch: https://m3wg.blogspot.com/2018/06/die-ture-von-zebramanguste.html
Melodie: https://www.youtube.com/watch?v=LanCLS_hIo4
Foto-Serie: WinDoors - Fenster - Türen - Tore hier
siehe auch: https://m3wg.blogspot.com/2018/06/die-ture-von-zebramanguste.html