24. Juni 2018

Die Türe - von Zebramanguste

Die Türe öffnet sich...
Sie: «Ich zähle jetzt von zehn bis null rückwärts – zehn – neun - acht... und Sie werden langsam müde, die Glieder, Arme und Beine, werden schwer – sieben – sechs – fünf... auf den Augenlidern scheint Blei zu haften – vier – drei... Sie sind sehr müde und zugleich hellwach – zwei – eins – null.
Sie befinden sich in einem von Fackeln erhellten Gang. Vor Ihnen führt links eine Treppe hoch und rechts eine Treppe hinunter. Welche Treppe wählen Sie, wo soll es hingehen?»
Er: «Ich möchte die Treppe hochsteigen...».
Sie: «Gut, dann gehen Sie links und steigen Sie die Treppe hoch, Stufe um Stufe um Stufe um Stufe... bis zum Ende der Stufen. Sagen Sie mir, wenn Sie oben angekommen sind und was Sie dort sehen?»
Er: « Links hat es ein grosses, bodenlanges Fenster... es führt auf einen kleinen Balkon. In der Mitte führt ein Korridor zuerst etwa zehn Meter geradeaus und verschwindet nach einer Linkskurve aus dem Blickfeld. Rechts sehe ich eine grosse, schwere Holztüre mit eisernen Beschlägen und einer kunstvoll gestalteten Türfalle.»
Sie: «Geht es Ihnen gut? Was empfinden Sie? Was möchten Sie tun?»
Er: «Ja, mir geht es gut... und ich empfinde Neugierde! Ich möchte versuchen ob ich die grosse, schwere Holztüre öffnen kann, ob sie sich öffnen lässt?»
Sie: «Gut, versuchen Sie die Türe zu öffnen»
Er: (nach kurzer Pause) «... die Falle lässt sich herunterdrücken, aber die Türe geht nicht auf; sie ist verschlossen! Aber ich sehe oben rechts am Türrahmen einen grossen Schlüssel an einem dicken Nagel hängen.» (ächzt kurz) «Ich habe den Schlüssel vom Nagel genommen, habe ihn in der Hand und werde versuchen, ob er ins Türschloss passt.» (kurze Pause) «Ja, der Schlüssel passt, lässt sich drehen. Darf ich die Türe öffnen? Ich möchte gerne wissen, was sich hinter der Türe befindet.»
Sie: «Ja, wenn Sie das Gefühl haben, dass es das Richtige ist... tun Sie es.»
Er: «Ich drehe den Schlüssel im Schloss und drücke gleichzeitig auf die Türfalle..., die Türe geht auf, ich drücke am grossen, schweren Türblatt. Ich stehe in einem mittelgrossen Raum mit tiefen Decken, höchstens 170 cm sind es vom Boden bis zur Decke... ich muss mich leicht bücken, sonst stosse ich mit meinen Kopf an die Decke.»
Sie: «Kommt Ihnen etwas in diesem Raum bekannt vor, erinnert Sie etwas im Raum an bestimmte Erlebnisse?»
Er wälzt sich unruhig auf der Liege, die Augenlider flattern. Mit den Händen macht er suchende Bewegungen und reibt gleichzeitig nervös Fuss gegen Fuss.
Er: «Ja, ich bin mir sicher, ganz sicher, dass ich in diesem Raum schon einmal war, dass in diesem Raum Etwas, für mich Etwas ganz Entscheidendes passiert ist – vor vielen Jahren!»
Die Stimme ändert sich während er diese Worte ausspricht sehr stark... jetzt tönt sie erst flüsternd, dann glucksend und die letzten 3 Worte haben etwas extrem Lustiges und Erheiterndes. Die Stimme tönt als hätte er Helium eingeatmet.
Sie erschrickt über diese massive Veränderung der Stimme; noch nie während einer durch sie geleiteten Rückführung war so etwas passiert. Noch nie war so viel Heiterkeit und Freude so real zu spüren, zu hören und jetzt zu sehen.
Er: (mit hoher Heliumstimme) «Sie kommen, in ihren komischen Gewändern von allen Seiten auf mich zu. Sie grinsen verschwörerisch..., sie sind über mir und beginnen....».
« Aus Cut, Szene 17 ist im Kasten. Ihr zwei spielt eure Rollen perfekt. Gratuliere, so habe ich mir diese Szene vorgestellt.» Im Hintergrund ist eine schrille Stimme zu hören, die aufgeregt schreit, «Genau so war es, genau das hatte ich genauso vor etwa 400 Jahren in genau diesen Kleidern, äh Kostümen, in genau so einen Raum erlebt! - Als die Narrengilde den Bogen überspannt hatteund die Narrenfreiheit dazu ausnutze die Obrigkeit, provozierend ohne Narrenkappe zu beleidigen und sich über sie in ungeziemter Weise lustig zu machen.
Sie hatten mich gefoltert indem alle zehn mich auskitzelten bis ich – vor Lachen - immer weniger und schliesslich keine Luft mehr bekam und nach laaanger Zeit erstickte». «Wer ist dieser Wahnsinnige, der solchen Stuss von sich gibt?», fragt der Regisseur in die Runde. Der Regieassistent antwortet: «Herr Regisseur, es ist ein neuer Hilfsbeleuchter, der heute zum ersten Mal bei den Dreharbeiten dabei ist.» « Dann ist heute auch sein letzter Tag, ich kann keinen durchgeknallten Beleuchter brauchen.»
Der Beleuchter verlässt lärmend und fluchtend die Szene und knallt wütend die schwere Eisentüre des Filmstudios zu.
In einem kleinen Zimmer, in einer grösseren Vorstadtsiedlung, fährt eine junge Frau aus tiefstem Schlaf auf. Sie ist durch das Zuknallen einer schweren Eisentüre geweckt worden. Sie reibt sich schlaftrunken die Augen und fragt sich, ob sie die Szene mit der Rückführung, die eine Filmszene war, den Anfall des Beleuchters, der glaubte, dass sich dies genauso abgespielt habe und er vor 400 Jahren gestorben sei, geträumt oder wirklich erlebt zu habe.

Oder ob sie vielleicht der Narr war, der zu Tode gekitzelt wurde?! Die Türe schliesst sich....


siehe auch: https://m3wg.blogspot.com/2018/06/die-ture-von-knurrbar.html