Vier Personen
sitzen in einem sich vorwärts bewegendem elektrifzierten hochmodernen
Eisenbahnzug von Bern nach Lausanne mit einem Zwischenhalt in Fribourg. Er fährt
pünktlich ab. Wie immer fährt er sehr pünktlich ab. Da alle vier Personen sich
auf dieser Fahrt weder mit andern Zugsreisenden unterhalten noch auschliesslich vor noch sich hindösen,
sind es eher stille Monologe die sich mehr oder weniger diszipliniert
manifestieren. Mindestens bei diesen 4 Personen, die wir an dieser Stelle kurz kennenlernen
werden.
Und warum es
genau diese vier Personen sind, die für uns hier nur ganz kurz ein Stück in Erscheinung
treten werden, weiss weder der Autor noch ein Kalkül, Schicksal oder ..... es
rüttelt der Zug. Vielleicht eine Baustelle oder ..... es rumpelt halt immer mal,
hier oder da. Rumpeln kann es immer wieder.
Rolf
Ich muss es ihr
sagen. Wenn nicht ich ... wer dann ? Es ist nicht so, dass ich mich dafür zu
schade oder zu wertvoll oder was auch immer fühlen würde. Nein. Es ist einfach
so, dass ... Jetzt kommt der wieder, um die Tickets zu sehen welche jetzt
SwissPass heissen. Freude hat keiner dran und niemand will wirklich auf Schritt
und Tritt überwacht und ausgewertet werden. Reicht ja schon, wenn das der
Staatdienst tun muss.
Es ist nicht so
einfach, weil es nicht nur ein WAS oder WARUM gibt sondern auch das WIE. Wie
viele Male bin ich diese Strecke denn nun schon gefahren? Jedesmal ein wenig
gleich und trotzdem immer ein wenig anders. Die gegenüber, die nebendran und
dann die unterschiedlichen Düfte und Gerüche. Oder die Stimmen. Es gibt solche,
die kann ich nicht hören, denen kann ich nicht zuhören und dann wird das
weghören wollen so schwierig. Wohin soll ich weghören?
Weghören ist
vielleicht auch ein wenig unanständig. Will ich unanständig sein, etwas das ich
eigentlich nie so richtig gelernt habe oder habe lernen dürfen? Soll auch eine Kunst sein, die viele im Altern immer besser beherrschen lernen. Wann kommt der
mit dem Kaffeewägeli endlich. Schon bald Fribourg und ich muss raus und immer
noch kein Kaffee. Und
es ihr gesagt hat auch diesmal wieder keiner.
Es rüttelt der
Zug.
Edith
Früher sass ich
lieber in Fahrtrichtung und hab mich gern mit andern Menschen unterhalten.
Heute sitze ich lieber so da, dass sich alles von mir und meinem gegenwärtigen
Standort entfernt. Mal schneller und mal gemütlicher. Es gibt Dinge, die will
ich nicht mehr, jedenfalls nicht unter einer gewissen Geschwindigkeit. Mal so
lustvoll leise vor sich zu denken und manchmal ein bisschen gemütlich vor mich
hin dösen. Nicht die Geschwindigkeit der Gedanken ist es, was mich bewegt,
sondern wie sie sich - ungeteilt mit andern Personen – entwickeln und verändern und andere Formen und Dimensionen annehmen.
Nein - Angst habe ich nicht davor. Aber muss auch lernen, damit umzugehen und
meine Gednken und ich sollten gute Freunde werden.
Was wünsche ich
mir für die Welt, die ich früher oder später verlassen werde? Was wünsche ich
mir für die, die hoffentlich länger da bleiben werden als ich das noch tun
kann. Für all diejenigen, die ich so gerne mag und die mir auch hier und jetzt
so wichtig sind.
Was und wie viel
müssen wir teilen und mit wem ? Wie lange können wir das noch tun bis ein anderer
mit uns teilen sollte, weil dann auch bei uns vieles fehlt oder weg ist. Das
geht so schnell, so unheimlich schnell. Die die nehmen wollen sind und werden so viel mehr als die,
die geben könn(t)en und soll(t)en.
Wie viel Rente
muss ich mir nehmen lassen, um Schmerz und Leid für etwas zu
empfinden, für das ich gar nichts kann. Diese "Auch-DU-bist-an-allem-Schuld-daran-Kultur"
kann ich kaum mehr ertragen. Ich wurde hier geboren, habe mich stets bemüht
gut, aufrichtig und redlich zu sein. Habe mir wenig zu Schulden kommen lassen
und jetzt ? Soll Schuld an all dem tragen....
Es rüttelt der
Zug.
Piter
Ich hasse sie.
Wirklich. Ich hasse sie. Sie sagen mir, dass ICH das mir wünsche und dass ICH es sei, der das möchte.
Nein, nein, nein. Und ich meine nicht die Bachelor-Tussen und Tussboys. Die
kann ich bei ein paar hundert Sendern ja locker ignorieren und rausfiltern und
muss dann nur noch ab und zu bei 20Min am Morgen früh das eine oder andere
Bildli mit Grosstext verziert anschauen. Gut draufgeschaut ist oft auch schnell
weggeschaut. Hinguckerchen,
die so rasch vergessen wie gesehen sind. Was sind Sekunden in einem gesunden
Leben schon ? Ich hasse sie. Sie kommen immer mehr und sind schon fast
überall. Also überall dort, wo ich sie mir nicht wünsche. Es gibt doch Leute,
die auch ohne "Grundeinkommen-Initiative" arbeiten und etwas
verdienen möchten, weil ihnen Arbeit auch etwas zurück gibt. Respekt,
Dankbarkeit, Anerkennung, Wertigkeitsgefühl.
Und jetzt kommen
sie, die Nespressos, Coops und Migros oder SBB und SWISS und CO. und wollen und
mit einem Teil von „geeigneten“ Massnahmen KonsumentInnen dazu zwingen,
SELFSCANNING zu machen. Was für ein erniedrigendes Wort. Was für eine
erniedrigende Geste: ICH übernehme EURE Arbeit, erhalte NICHTS dafür und werde
überwacht wie ein verdächtiger Hund (damit mir und den andern Sefscanners kein
"Fehler" passiert"). Ich werde euch schon bald auch die Gestelle
einräumen dürfen ... aber dann alle Achtung, kreative Menschen finden auch
kreative Lösu....
Es rüttelt im
Zug.
Nachtrag:
Ich mag es und unterstütze es, wenn Menschen auch solche WERTVOLLE Arbeit
leisten dürfen und nach wie vor leisten werden könnnen. Ich hoffe, dass viele
viele viele Menschen Selfscanning langfristig und nachhaltig ablehnen werden !
Paula:
Die Wiesen
werden grüner. Ich liebe es, aus dem Fenster zu schauen. Die Wiesen werden
grüner. Und wie viele Kühe es hat. Hoffe, dass es glückliche Kühe sind.
VeganerInnen lieben glückliche Kühe. Cowboys offenbar nicht. Warum weine ich
nicht ? Oder noch nicht ? Mein Cowboy hat sich entschieden: Alles andere ist
Beilage. War wohl eine angenehme Beilage. Aber ich suche mir eine schönere
Rolle und die Tränen und der Schmerz werden wohl noch kommen. Wo ist es so, dass
Cowboys nicht weinen durften oder waren das die Indianer. Der Wägeli-Mann ruft:
Sandwich ... Käse ... Salami
Es rüttelt der
Zug.
Der
Lokomotivführer stellt fest, dass er die sich in Sanierung befindliche Weiche
offenbar mit 83.53 Stundenkilometer passiert haben dürfte und nicht wie
vorgeschrieben mit 78.4. Sorry Chef, schief gelaufen ... aber: C'est la vie !
Die passende
Musik dazu:
Weitere Infos zu den Geschichten /Index - Geschichtenverzeichnis - zu den AutorInnen:http://m3wg.blogspot.ch/2012/12/idee-konzept.html